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Widerrufsjoker im Werkvertragsrecht?

Manch einer wird schon einmal vom Widerrufsjoker bei alten Darlehensverträgen gehört haben, die nicht mehr zu den aktuellen günstigen Zinskonditionen passen. Hier war es geraume Zeit möglich, wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen noch Jahre nach Vertragsschluss eine Rückabwicklung des Vertrages zu erreichen. Diese Möglichkeit gibt es auch im Werkvertragsrecht. Und es kann ein sehr starkes Instrument sein, wenn sich Unternehmer und Besteller streiten. Hier kann ein Widerruf die Verhandlungsposition des Werkbestellers stärken und des Werkunternehmers schwächen.

Einem Verbraucher steht in der Regel ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Dieses gilt für alle möglichen Verträge, wenn diese außerhalb von Geschäftsräumen oder als Fernabsatzvertrag zustande gekommen sind, § 312g Abs. 1 BGB. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage nach Vertragsschluss, § 355 Abs. 2 BGB, verlängert sich aber bei unterbliebener Widerrufsbelehrung auf 12 Monate und 14 Tage, § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Bei Werkverträgen gibt es im Kern nur eine relevante Ausnahme: Bei Verträgen, bei denen für den Kunden Waren individuell hergestellt werden, § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB besteht keine Widerrufsmöglichkeit.

In der Praxis kommen die meisten Werkverträge wohl nach einem Angebot an den Kunden telefonisch oder per E-Mail zustande. Damit liegt ein Vertragsschluss außerhalb eines Geschäftsraumes und/oder im sog. Fernabsatz vor und der Anwendungsbereich des § 312g Abs. 1 BGB eröffnet einem Verbraucher den Widerruf. Da praktisch nach meiner Erfahrung nie im Rahmen der Angebotserteilung eine Widerrufsbelehrung erfolgt, kann der Kunde nun i.d.R. noch 12 Monate und 14 Tage nach Auftragserteilung den Werkvertrag widerrufen. Das ist nur dann nicht möglich, wenn für den Kunden etwas individuell hergestellt wurde. Die für den Kunden individuell gefertigte Küche oder Möbelstücke verhindern einen Widerruf also. Wird beim Kunden aber ein Waschbecken, eine Heizung, eine Klimaanlage, ein einzelner Außenrollladen, oder beim Auto neue Sommerreifen montiert, so kann der Widerruf bei unterbliebener Belehrung noch Monate später erfolgen.

Mit dem Widerruf entfallen die werkvertraglichen Primäransprüche und das Schuldverhältnis wandelt sich in ein Rückgewährschuldverhältnis um, womit dann die jeweils erhaltenen Leistungen zurück zu gewähren sind. Das ist bei verbauten Teilen durchaus tragisch, denn diese können wegen § 93 BGB nicht wieder ausgebaut werden. Und weil keine Belehrung über den Widerruf erfolgt ist, entfällt der für diesen Fall vorgesehene Wertersatz nach § 357 Abs. 8 BGB.

Es gibt zwei Ratschläge, die sehr effektiv helfen. Zunächst einmal sollte jedes Angebot mit einer Widerrufsbelehrung versehen werden. Wichtig ist, dass sich diese nicht bei den AGBs befinden darf. Die Widerrufsbelehrung muss eigenständig neben dem Angebot erfolgen. Hierneben bietet es sich bei Auftragserteilung an, den Kunden zum Verzicht auf sein Widerrufsrecht aufzufordern. Wenn der Werkunternehmer sofort mit der Vertragserfüllung beginnen soll ist es zulässig, vom Kunden eine entsprechende Verzichtserklärung zu verlangen.

Martin Becker
Rechtsanwalt und Mediator, Winfried Becker & Partner, Lemgo